Montag, 12. Januar 2015, kurz nach 17:00 Uhr begrüßte Frau Möckelmann, unsere kommissarische Schulleiterin, in der Cafeteria der Schule Minka Wolters, Journalistin und Autorin, und ihre Gäste sowie ein interessiertes Publikum zur Lesung und Gesprächsrunde „Besonders NORMAL - mit Inklusion leben“.

Mit Cindy Szerffel, Schülerin unserer Schule, Herrn Cemal Ates, Malermeister und Gewinner des Berliner Integrationspreises 2012, Dr. Hans-Jürgen Lindemann, Arbeitsbereichsleiter der Regionalen Fortbildung Berlin und Antje Leitert, Lehrerin bei uns mit dem Arbeitsschwerpunkt individuelle Lernwege in der Berufsausbildung, waren bereits 4 verschiedene Sichtweisen auf das Thema im Gesprächskreis gesetzt.

Interessante und lebendige 100 Minuten brachten im Wechsel von Frau Wolters gelesene Textpassagen und anschließende, von der Schauspielerin Stefanie B. Fritz moderierte Gesprächsrunden.

Gespannt hörten wir, dass Cindy Szerffel, die nach einem Unfall mit 15 Jahren zunächst in einem Rehazentrum und danach auf einer Schule für Körperbehinderte war, zu uns an die Schule gekommen ist, weil sie eine größere Herausforderung und Entwicklungsmöglichkeit gesucht hat: die dreijährige Ausbildung zur Bürokauffrau. Nicht nur ihre Klasse und ihre Lehrer und Lehrerinnen haben Cindy selbstverständlich aufgenommen, sie hat es sogar geschafft, ein dreimonatiges Praktikum in einem Unternehmen in England zu absolvieren. Auch wenn der Schulalltag nicht einfach ist und der Fahrdienst sie fast täglich aus fahrlogistischen Gründen bereits eine Stunde vor Unterrichtsbeginn zur Schule bringt: Cindy bereitet sich nun bereits auf die IHK-Prüfung vor. Wir drücken die Daumen.

Ganz andere Erfahrungen hat der Malermeister Cem Ates, dessen Geschichte von Minka Wolters aufgeschrieben und vorgelesen wurde, gemacht. Er bildet ganz bewusst auch lern- oder körperbehinderte Auszubildende aus, obwohl er dies bei der Größe seines Betriebs nicht tun müsste. Eindrucksvoll berichtet er im Gespräch von der großen Motivation seiner zwei Auszubildenden, trotz Lernbehinderung bzw. Taubheit die dreijährige Ausbildung zum Maler und Lackierer zu schaffen, doch auch davon, wie viel Eigeninitiative und Ausdauer von ihm selbst es brauchte, um den Ämtermarathon zu absolvieren und vor allem, um überhaupt an die wichtigsten Informationen zu Fördermöglichkeiten seiner beiden Azubis zu gelangen. Sein großer Wunsch ist es, einen kompetenten Ansprechpartner zu den Besonderheiten einer inklusiven Ausbildung zu haben.

Von der Schulleitung und den Lehrern und Lehrerinnen der Schule wurde deutlich gemacht, wie schwer es vor allem ist, Schüler und Schülerinnen mit psychischen Besonderheiten gut zu fördern, da der Schule hierüber in den meisten Fällen keine Informationen vorliegen und es so passieren kann, dass jemand in erster Linie als den Unterricht störend wahrgenommen wird und sich im besten Falle durch Gespräche, auch mit den Eltern, die Situation klärt und gemeinsam Wege gesucht werden können.

Dr. Hans-Jürgen Lindemann zeigte auf, dass es dazu insbesondere für die berufliche Bildung stärkere Unterstützung durch Fachleute im Bereich der Diagnostik solcher Besonderheiten bedarf. Dies, dazu eine bessere Kommunikation zwischen Arbeitsamt und Oberstufenzentren im Bereich der dualen Berufsausbildung und die gezielte Weiterbildung der Lehrkräfte seien Voraussetzungen dafür, dass tatsächlich jeder und jede in ihrer Art zu Lernen gefördert werden kann.

Ein Anfang auf diesem Weg ist das Pilotprojekt "Inklusion an Berliner beruflichen Schulen", von dem André Neubert, der Projektleiter am LISUM Berlin Brandenburg, berichtete. Innerhalb von 2 Jahren erhalten 27 Lehrer und Lehrerinnen, darunter Kathrin Grau und Armin Wolf von unserer Schule, eine Ausbildung als Koordinatoren für Inklusion. Bei ca. 88.000 Schülerinnen und Schülern, die allein in Berlin an 126 beruflichen Schulen bei ca. 5.800 Lehrkräften im Unterricht lernen, wird allerdings deutlich, wie stark der Handlungsbedarf zur wirklichen Umsetzung der Inklusion in der beruflichen Bildung tatsächlich ist.

Eine Mutter, deren Sohn an unserer Schule lernt, berichtet von den Problemen und Ängsten, die Eltern von Kindern mit Beeinträchtigungen wie dem Asperger-Syndrom haben, wenn sie nach zum Teil schlechten Erfahrungen über 10 Schuljahre hinweg in die berufliche Bildung kommen. Und dennoch sei ihr am heutigen Abend stärker klar geworden, dass ohne vertrauensvolle Gespräche mit den Lehrern und Lehrerinnen, die Förderung der Schüler nur schwer oder gar nicht möglich ist.

Andere Gäste berichteten begeistert von Schulen im Grund- und Sekundarschulbereich, in denen die Schüler eigenverantwortlich und auf individuellen Wegen lernen können und fordern auf, dies auch in die berufliche Bildung zu tragen. Wie gut, dass sich unsere Schule ab dem nächsten Schuljahr mit zwei Klassen, die den Beruf des Kaufmanns für Büromanagement lernen, auf den Weg zum individualisierten Lernen machen wird.

Der Abend endete mit dem, mit freundlicher Genehmigung des Künstlers GRAFFIDI gezeigten, Musikvideo für die Globale Bildungskampagne 2014: einem Rap zum Thema Inklusive Bildung.

Es war ein Abend der Begegnungen: Autorin – Lehrerinnen und Lehrer – Schulleitung – Eltern – Schüler und Schülerinnen – Ausbilder – Fortbildner – interessierte Besucher, bei dem es sicher zu dem einen oder anderen „Aha-Effekt“ kam.

Deutlich wurde, dass es viel mehr solcher Kommunikation zwischen allen Beteiligten bedarf, damit Inklusion wirklich gelingen kann.

Dieser Abend war: besonders NORMAL.

 

Antje Leitert

Herzlichen Dank an die Regionale Fortbildung Berlin und den Förderverein der Schule, die diesen Abend ermöglicht haben, an das Hausmeisterteam und die Schüler Paul Rennspieß, Carl Eric Prucha, Abdul Medzid, Faik Isihili, Eric, Hussein Chehimi und Burene Tsogstaikhan, die tatkräftig die Organisation unterstützt haben.