Europäische Mobilität in Zeiten von Corona – Die Senatsverwaltung für Bildung, Jugend und Familie hat eine innovative Lösung zur Realisierung ihrer Programme entwickelt
Eigentlich sollten Béla Dunst (16) und Darline Weiland (18) in diesen Tagen Anfang Mai 2020 gemeinsam mit sieben weiteren Schülerinnen und Schülern der Berliner Elinor-Ostrom-Schule in Irland sein, um an einem zweiwöchigen Aufenthalt im Rahmen des Mobilitätsprogramms Erasmus+ teilzunehmen. Inhaltlich stand dabei das Thema Entrepreneurship im Fokus, bei dem es darum geht, angehenden Büromanagern unternehmerisches Denken zu vermitteln und sie für ihre spätere Tätigkeit, beispielsweise in Start-ups, zu qualifizieren. Doch dann kam Corona.
Für Klaus Naumann, Leiter des Arbeitsbereiches GoEurope, dem europäischen Mobilitätsnetzwerk der Senatsverwaltung für Bildung, Jugend und Familie in Berlin, ein Schock, vermittelt er doch Jahr für Jahr rund 800 Lernaufenthalte ins europäische Ausland: sowohl für Berufsschüler, Auszubildende als auch das Bildungspersonal. Dabei arbeiten Naumann und sein Team mit 40 Berliner Berufsschulen und einem internationalen Netzwerk von rund 30 Partnerorganisationen in unterschiedlichen Ländern zusammen. All das schien nun – zumindest für das Jahr 2020 – vor dem „Aus“ zu stehen.
Digitaler Klassenraum im Mobilitätsprojekt von GoEurope (Foto und Montage: Manfred Kasper)
Doch so schnell wollte Naumann sich dem Schicksal nicht beugen. Er führte Gespräche mit Berliner Ausbildungsbetrieben und suchte nach Alternativen, um zumindest einen Teil der Mobilitätsmaßnahmen realisieren zu können – wenn auch in anderer Form. Ergebnis war die Idee der digitalen Mobilität, bei der die Azubis zwar nicht vor Ort sein können, dennoch aber die Vorteile von Internationalität und interkulturellem Lernen und Arbeiten erfahren. Umgesetzt wurde sie ganz konkret am Beispiel des Entrepreneurship-Programms.
Unternehmerisches Denken fördern
„Das Ziel des Entrepreneurship-Ansatzes ist es, die Schülerinnen und Schüler über die Vermittlung von Sprachkompetenz hinaus auf das dynamische Umfeld der Start-ups vorzubereiten, das sie aus ihrer normalen Ausbildung in der Regel nicht kennen. Sie erleben unternehmerische Dynamik und Kreativität, indem sie selbst ein Produkt entwickeln, einen Businessplan aufstellen und ein Marketingkonzept präsentieren“, erzählt Naumann, Insbesondere im Dialog mit den in Sachen Unternehmergeist sehr fortschrittlichen angelsächsischen Ländern führe dies dazu, dass die Teilnehmerinnen und Teilnehmer ihren Horizont erweitern und völlig neue Ideen generieren. Daher laufen die Programme in der Regel mit Partnern aus Großbritannien und Irland.
In diesem Jahr war dies erstmals das Twin English Centre Dublin, das bereits seit einiger Zeit bestrebt ist, digitale Technologien in seine Arbeit einzubinden. Dazu Liliane Sakamoto, Director of Studies bei TWIN Dublin: „Wir arbeiten seit zwei Jahren beispielsweise mit virtuellen Klassenräumen wie Google Classroom. Es war immer unser Ziel, die Schule in diese Richtung zu entwickeln, das hat uns jetzt sicherlich sehr geholfen.“
Gemeinsam überlegten Naumann und Sakamoto, wie die Inhalte des Programms auf eine neue Ebene gehoben werden könnten. Sie entwickelten ein innovatives Konzept, das wie im wirklichen Leben einen mit Studierenden aus verschiedenen Ländern abgehaltenen Sprachkurs sowie separate „Entrepreneurship“-Einheiten mit den Berliner Schülerinnen und Schülern beinhaltet. „Es ging uns darum, Internationalität und fachlichen Input zu kombinieren und digital zu vermitteln“, unterstreicht Naumann.
Von Beginn an war klar, dass die digitale Mobilität die echte Auslandserfahrung nicht würde ersetzen können, es ging vielmehr um eine gute und sinnvolle Alternative, um in Zeiten von Corona die Möglichkeit zu schaffen, die Inhalte des Programms zu transportieren. So entstanden kleine Gruppen und Face-to-Face-Situationen, die die Chance zu einem intensiven Dialog mit den – wie die Berliner Azubis – aus ihrem Homeoffice agierenden Lehrenden bot und zum Teil sehr private Einblicke in die unterschiedliche Lebenswelten ermöglichte. Ergänzt wurde dies durch virtuelle Angebote wie zum Beispiel Touren durch die Dubliner Kultur- und Museumslandschaft.
Ein gelungener Ansatz, der einen Eindruck davon vermittelte, „wirklich in Irland zu sein“, findet Béla Dunst, der den digitalen Lernaufenthalt sehr genossen hat: „Das Ganze hat sehr gut funktioniert, die Lehrenden waren kompetent und aufgeschlossen. Interessant war auch, im Sprachkurs mit Menschen aus aller Welt zu reden und mehr über ihr Land und ihre Kultur zu erfahren.“ Darline Weiland bestätigt dies und ergänzt: „Meiner Meinung nach wäre es gut, das Programm in dieser Form zu erweitern, um Menschen, die es sich nicht leisten oder aus anderen Gründen nicht verreisen können, die Teilnahme an solchen Projekten zu ermöglichen.“
Alle Beteiligten berichten, dass es anfangs zwar eine gewisse Unsicherheit gegeben habe, sie sich im Verlauf des Projektes jedoch immer besser in der auch für sie neuen Welt zurechtgefunden hätten. Auch dies ist eine Erfahrung, die ihnen als Büromanager in der ein oder anderen Situation sicher noch nützlich sein könnte.
Eine Chance für die Zukunft
„Es hat sehr gut getan, dass die Idee so positiv auf- und angenommen wurde und wir eine echte Erfolgsgeschichte erlebt haben“, bilanziert Klaus Naumann die Resultate der Pilotphase. Perspektivisch gehe es nun darum, das Ganze weiter auszudifferenzieren und für Zielgruppen zu entwickeln, die ansonsten häufig von der Mobilität ausgenommen sind, zum Beispiel Menschen mit Behinderung. Dazu noch einmal Naumann: „Das werden wir auch vorantreiben, wenn Corona irgendwann einmal vorüber sein wird. Ich kann mir gut vorstellen, die klassischen Mobilitäten künftig durch digitale Mobilitäen zu flankieren, zum Beispiel zum Vorfeld eines Auslandsaufenthalts.
Unterstützung findet er bei Kletke Möckelmann, Leiterin der Elinor-Ostrom-Schule, die ohnehin bemüht ist, Unterrichtsangebote zu entwickeln, die sich intensiv mit den Anforderungen an die kaufmännische Arbeit von morgen auseinandersetzen. Insbesondere Auslandsaufenthalte hält sie diesbezüglich für eine wichtige und wirksame Ergänzung der vollzeitschulischen Ausbildung der Büromanagerinnen und Büromanager.“
Auch sie kann sich eine Kombination aus digitaler Mobilität und dem Lernaufenthalt vor Ort gut vorstellen. Möckelmann wörtlich: „Aktuell wird ja sehr viel über die Zeit nach Corona und die Arbeitswelt von morgen diskutiert. Dabei geht es auch darum, wie sich Mobilitäten verändern und Realitäten stärker als bislang vermischen werden. So etwas kann ich mir auch im schulischen Bereich vorstellen. Gut wäre es, eine sinnvolle Kombination aus echter Mobilität und einer der modernen Welt entsprechenden Mobilität über digitale Medien hinzubekommen. In der Wirtschaftswelt findet das ja bereits statt, gerade im Bürobereich.“
Wer mehr zum Thema „Digitale Mobilität“ und zum Entrepreneurship-Programm wissen möchte, kann sich gerne direkt an GoEurope in Berlin wenden.
Das gilt auch für Berliner Auszubildende und Berufsschüler, die an einer virtuellen Mobilität teilnehmen möchten.
Kontakt:
GoEurope, Europäisches Mobilitätsnetzwerk der Senatsverwaltung für Bildung, Jugend und Familie Berlin für EU-geförderte Lernaufenthalte für Berufsschüler und Auszubildende.
Herr Klaus Naumann, Mail: Diese E-Mail-Adresse ist vor Spambots geschützt! Zur Anzeige muss JavaScript eingeschaltet sein!
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